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Dienstag, 14. Mai 2013

Zum Vorgang der Auseinandersetzung zwischen Prokofieff und von Halle. Frage nach der Disziplin für geistige Auseinandersetzungen.






Der Schrift von Herrn Prokofieff "Zeitreisen – ein Gegenbild anthroposophischer Geistesforschung" wurden bereits einige Gegenstimmen von den Beschützern von Frau von Halle entgegengestellt. Zu dieser aktuell vorhandenen Situation möchte ich rückblickend auf den gesamten Verlauf der Phänomene um Frau von Halle meine Ansicht zum Ausdruck bringen. Zuerst möchte ich eine Bemerkung vorausschicken. In diesem Schreiben wird kein Urteil von mir über die einzelnen Inhalte in der aktuellen Schrift von Herrn Prokofieff oder auch in den Büchern von Frau von Halle vorgenommen. Hier möchte ich ausschliesslich die Frage nach der Vorgehensweise in einer geistigen Auseinandersetzung ansprechen. 




Offener Brief von der Gruppe um Judith von Halle an Sergej Prokofieff anlässlich seines Buches ‹Zeitreisen› über Judith von Halle 
http://www.goetheanum.org/fileadmin/AWW/awd/AWD2013_05.pdf
(Seite 18-19)





Die Frage nach Gedankenfreiheit der einzelnen Menschen 

Die Inhalte, die in den Schriften und Äusserungen von Frau von Halle dargestellt sind, lösen bei nicht wenigen Menschen Verwirrung aus. In den Urteilen und Darstellungen, die in den Schriften von Frau von Halle zu finden sind, fehlen für zahlreiche Menschen die klaren Zusammenhänge. Diese Realität, dass ihre Darstellung bei den bestimmten Menschen eine Ablehnung findet, ist sicherlich auch für Frau von Halle eine Herausforderung. Es ist allerdings etwas Natürliches, dass diejenigen Menschen, welche die Irritationen an den Darstellungen von Frau von Halle erfahren, ihren Standpunkt dazu darstellen und ihn veröffentlichen. Dieser Vorgang ist an sich etwas Selbstverständliches. Dies kann nicht gleich als ein Angriff auf die Person von Frau von Halle verstanden werden.

Solange in der Entgegnung die inhaltlichen Fragen kritisch aber sachbezogen behandelt werden, kann nicht bloss von Störung des Friedens oder Ähnlichem die Rede sein. Wenn unsere Sache eine ‹(Geistes)-Wissenschaft› heissen soll, soll als grundsätzliche Disziplin eine sachbezogene kritisch-wissenschaftliche Vorgehensweise eingehalten und gefördert werden. Für eine Wissenschaft sind sachbezogene Einwände zu einer Darstellung eine Selbstverständlichkeit. Wenn alle Veröffentlichungen und Darstellungen, die herausgegeben werden, von den Lesern und Forschern bejahend angenommen werden müssten, dann sollte die Bezeichnung ‹Geisteswissenschaft› für die Anthroposophie dementsprechend abgeschafft werden. Wenn es aber so ist, dann scheint allerdings damit auch die häufige Kritik von Aussen an die Anthroposophen: "Sie sind nicht wissenschaftlich", sich zu bewahrheiten.

Im obigen Sinne ist die aktuelle Publikation von Herrn Prokofieff an sich eine Sache, die zu einer Selbstverständlichkeit der Gedankenfreiheit gehört. Es ist auch das Recht von den Beschützern von Frau von Halle, die Darstellung von Prokofief wieder kritisch zu entgegnen. Nun wird aber im offenen Brief von den Beschützern von Frau von Halle die Entschuldigung für die Darstellung von Prokofieff verlangt. Sie verlangen auch die  Zurücknahme der Bücher aus dem Markt. 

Dieses Vorgehen erweckt in den Menschen den Eindruck, dass man in der Anthroposophie keine kritische Darstellungen zur Schrift von bestimmten Autoren veröffentlichen darf. Man kann den Eindruck bekommen, dass keine Gedankenfreiheit mehr in der Anthroposophie zugelassen ist. Dies lässt Frau von Halle nach Aussen vielmehr wie ein Guru erscheinen als wie eine eigenständige Forscherin, auch wenn die Beschützer dies nicht beabsichtigen. Dies ist für Frau von Halle selber sicher nicht nützlich. 



Der Unterscheid zwischen einem persönlichen Angriff und einer kritisch-sachbezogenen Kritik

In dem Land Japan, woher ich ursprünglich komme, reagiert die allgemeine Gesellschaft viel sensibler darauf, ob man in der Öffentlichkeit mit dem sprachlichen Ausdruck korrekt umgeht, als hier in der westlichen Gesellschaft, weil bei uns die Praxis des gegenseitigen Respekts zum gesellschaftlichen Standard gehört. Man wird in der Öffentlichkeit in seinem sozialen Verhalten bis in den sprachlichen Ausdruck hinein von der Allgemeinheit kritisch beobachtet, in welcher Gesinnung und wie man sich gegenüber den anderen Menschen benimmt. 

Man kann selbstverständlich seine Kritik gegenüber anderen Meinungen äussern. Aber auch wenn man jemanden kritisiert, darf die Gesinnung des Respektes nie ganz verloren gehen. Dies wird von der Allgemeinheit als eine soziale Kompetenz vor allem von den führenden Persönlichkeiten erwartet. Wenn ein Mensch einen Ausdruck über einen anderen Menschen verwendet, der unbegründet und in einer boshaften Art – sarkastisch oder ironisch – den Wert des betreffenden Menschen herabsetzt, badet er nicht selten in einer heftigen Empörung der Allgemeinheit, sodass er durch den Druck der Allgemeinheit dazu bewegt wird, sich öffentlich zu entschuldigen. Aber dieses Prinzip kann auch bei uns – wo der gegenseitige Respekt viel sensibler wahrgenommen und praktiziert wird als hier – nicht geltend gemacht werden, wenn die Einwände eben begründet und sachbezogen unternommen werden. Dann werden die Einwände nicht als eine persönliche Beleidigung aufgefasst. Solche begründete Einwände gehören zur individuellen Freiheit im Denken. Aus dem obigen Grund ist nach meiner Ansicht das Vorgehen der Beschützer von Frau von Halle im offenen Brief, von Prokofieff die Entschuldigung und die Zurücknahme der Schrift zu verlangen, als zu weit gegangen aufzufassen. 


Ich werde es deutlich betonen, weil ein solches Verlangen Frau von Halle selber unter kein gutes Licht in der Öffentlichkeit stellen kann. 



Die Auseinandersetzung als Förderung der Entwicklung

Es finden in allen Gebieten der Professionalität berechtigte Kämpfe statt. Ohne diese Kämpfe kann weder eine persönliche noch eine allgemeine Entwicklung in einem Fachgebiet zustande kommen. In einem Kampf oder in einer Auseinandersetzung muss man sich nicht nur mit einem anderen Menschen in seinen Fähigkeiten messen. Sondern, es geht auch um die Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen. Gerade dieses Ringen mit sich selber hat sich in vielen Fachgebieten als ein unverwechselbarer Effekt für die Entwicklung einer Sache oder eines Sachgebietes erwiesen. Eine ähnliche Erfahrung kennt jeder Wissenschaftler, jeder Künstler, der unaufhörlich die Erhöhung des eigenen Könnens anstrebt und so eine Meisterschaft erzielt. In diesem Sinne sind die Kämpfe und die Auseinandersetzungen, die nach einer klaren Arbeitsdisziplin verlaufen, die unverzichtbaren Lehrmittel und Herausforderungen für die Entwicklung überhaupt.  

Jeder Mensch steht in einer geistigen Auseinandersetzung zuletzt mit sich allein. Man erlebt einen Zeitpunkt, in dem man ganz auf sich allein gestellt ist. Auch wenn die Unterstützung oder die Anregung von zugewandten Menschen auch eine Notwendigkeit ist, muss jeder die Prüfung, die eine geistige Auseinandersetzung ihm entgegenbringt, schliesslich mit eigener Kraft bestehen. Dieser einsame Prozess, in dem ein Mensch darum ringt, um über die bereits erreichte Stufe hinaus zu wachsen, darf nicht gestört werden, denn an diesem Ringen wächst im Menschen eine neue Fähigkeit, die bis dahin noch in ihm schlummerte. 

Dies gilt auch in den Auseinandersetzungen mit geistigen Inhalten. Die Auseinandersetzungen, die bezüglich auf das Verständnis der Phänomene in der Welt oder die Interpretation der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners sich ergeben, sind wichtige und kostbare Herausforderungen, die sowohl die gesamte als auch die persönliche Entwicklung der daran beteiligten Menschen fördert. Diese, die Entwicklung fördernde Wirkung der Auseinandersetzung muss auch in unserem Gebiet der Geisteswissenschaft im gleichen Mass wie in allen anderen Fachgebieten vorhanden sein. Ich stelle nun aber fest, dass gerade bei den Menschen, die sich mit der Gesteswissenschaft Rudolf Steiners beschäftigen, für diesen Aspekt noch wenig eine Würdigung stattfand.



Die eigenständige Verantwortung eines Geistesforschers gegenüber der eigenen Darstellung im Fall einer geistigen Auseinandersetzung

Ich habe bis jetzt – sofern dies die schriftlichen Publikationen betrifft – das Vorgehen von Herrn Prokofieff so beobachtet, dass er in die Angelegenheit mit Frau von Halle sich selber als ein selbstständiger Forscher hineinstellte, ohne dass jemand für ihn stets sprechen und ihn verteidigen muss. Soweit ich die Auseinandersetzung zwischen Herrn Prokofieff und Frau von Halle verfolgt habe, habe ich meistens seine eigene Stellungnahme für diese Angelegenheit und nicht in erster Linie eine Vertretung für ihn durch jemand anderen gelesen.

Dies sieht aber bei der Partei von Frau von Halle anders aus. Bis jetzt sind bereits viele Stimmen und Entgegnungen gegen die Schrift „Zeitreisen“ veröffentlicht. Aber die meisten Entgegnungen, die bis jetzt in dieser Auseinandersetzung veröffentlicht worden sind, stammen nicht von Frau von Halle selber, sondern, von ihren Beschützern. Dabei stellt sich eine grundsätzliche Frage nach der Vorgehensweise in einer geistigen Auseinandersetzung bezüglich Individuum und Gruppe, denn ohne das Einhalten einer grundsätzlichen Disziplin im Vorgehen kann nach meiner Ansicht keine Auseinandersetzung fruchtbar und fördernd für die Entwicklung genützt werden. 

Die Schrift von Herrn Prokofieff ist auf Frau von Halle und Herrn Tradowsky gerichtet. Frau von Halle und Herr Tradowsky sind diejenigen, die dabei direkt angesprochen sind. In erster Linie ist Frau von Halle die Person, die es betrifft. Eines scheint klar zu sein: Die Entgegnungen von den Beschützern von Frau von Halle können nie die eigene Stellungnahme von Frau von Halle ersetzen. Dies ist eine Regel, die nicht gebrochen werden kann. Keiner kann in den Einwänden, die gegenüber den Darstellungen in den Büchern von Frau von Halle gemacht werden, eine voll berechtigte und korrekte Stellungnahme geben, ausser sie selber, jedenfalls solange sie selber lebt und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte steht. Diese Bücher sind von ihr geschrieben und sie trägt dafür die Verantwortung. Diese Eigenständigkeit in der Verantwortung ist eine selbstverständliche Disziplin, die zu einer Forschung oder zu einer Veröffentlichung eines Forschungsergebnisses gehört.

Die Hilfsmassnahmen, die von den Beschützer von Frau von Halle massiv eingesetzt werden, scheinen aus dem obigen Grund nicht hilfreich für eine fruchtbare Auseinandersetzung zu sein. Ich denke, dass die Beschützer von Frau von Halle ihr selber die Gelegenheit nicht nehmen sollten, sich selber als eine eigenständige Persönlichkeit in die Herausforderung hineinzustellen. Sie sollten sich besser von dieser Art des Verfassens von Streitschriften gegen kritische Stimme zurückziehen, damit Frau von Halle selber die Gelegenheit ergreifen kann, zu zeigen, wie sie in einer ehrlichen und sachbezogenen geistigen Auseinandersetzung ihre Fähigkeit zu zeigen vermag. Dann kann sich die Allgemeinheit selber an ihrem Vorgehen in einer geistigen Auseinandersetzung ein eigenes Urteil bilden. 


Solange man eine geistige Auseinandersetzung nur als einen sinnlosen und bösen Angriff versteht, kann man auch den Menschen, der die Einwände erhebt, nur als Feind sehen. Aber diejenigen, die zuerst wie eine Art Feinde aussehen, werden zu denjenigen, die uns am meisten zu einer Entwicklung verhelfen, wenn wir diese Auseinandersetzung als eine fruchtbare Herausforderung sehen, die zu jedem Weg gehören, der von Professionalität und Meisterschaft zeugt. 

Mir scheint, dass der massive Einsatz von der Gruppe um Frau von Halle für niemanden fruchtbar sein kann. Die Entgegnung soll vor allem von Frau von Halle selber und höchstens Herrn Tradowsky gegeben werden und nicht von ihren Vertretern. Man weiss nicht einmal, ob Frau von Halle selber sich mit all diesen schriftlichen Entgegnungen durch ihre Beschützer identifizieren kann, oder ob sie zumTeil ein anderes Urteil hat.  

Das bisherige Vorgehen der Beschützer von Frau von Halle kann nach Aussen den Eindruck erwecken, als ob Frau von Halle in ihrer geistigen Fähigkeit nicht mündig wäre und sich nicht eigenständig als Forscherin dem realen Problem zu stellen vermag. Der Eindruck kann entstehen, dass sie auf eine Hilfsaktion durch die anderen Menschen angewiesen ist, weil sie selber nicht fertig wird, durch den Einsatz eigener Fähigkeiten die Einwände überzeugend zu widerlegen. Die Entstehung dieser Eindrücke scheint mir für Frau von Halle nicht hilfreich zu sein.



Ich apelliere aus den obigen Gründen an die Beschützer von Frau von Halle, statt sie vertreten zu wollen, unmittelbar Frau von Halle selber ihre Sache vertreten zu lassen, so wie sie in ihrer neuen Schrift getan hat. Sie sollten Frau von Halle die Gelegenheit geben und ihr selber den Platz einräumen, dass sie sich als eine eigenständige Forscherin in diese Herausforderung stellen kann und dass sie darin öffentlich ihr Können zeigt, wie sie durch ihre sachbezogenen Begründungen mit der Auseinandersetzung fertig wird. Daran kann ihr eigenes Können beobachtet werden und es stellen sich nicht die Behauptungen ihrer Vertreter in den Vordergrund. 

Solange die anderen Menschen viel mehr als Frau von Halle selber für ihre Richtigkeit sprechen, um sie zu verteidigen, wird diese Auseinandersetzung kein Ende finden und auch niemandem helfen. Die Verteidigung von zweiter Hand wie im offenen Brief an Herrn Prokofieff hat keine Wirkung, wie eine Stellungnahme von Frau von Halle selber es haben kann. Diejenigen, die kritische Meinungen gegenüber den Inhalten in den Büchern von Frau von Halle vertreten, können durch diese Gegenstimmen der Beschützer in ihrer Erkenntnisfrage nicht zufrieden gestellt werden, denn diese Beschützer werden nie die eigene Stellungnahme von Frau von Halle ersetzen können. Dies kann nur Frau von Halle selber als selbständiges Individuum ausführen und nicht an ihrer Stelle die Gruppe.





Junko Althaus















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